Ein Rückblick auf den MobiData BW Hackathon

23. März 2021

Daniel Barth ist Trainer, Facilitator und Berater bei der creaffective GmbH, die im Auftrag des Ministeriums für Verkehr gemeinsam mit Trafficon – Traffic Consultants GmbH den MobiData BW Hackathon und die anschließende Innovationsphase gestalten und begleiten. Im Blogbeitrag berichtet er über die Herausforderungen bei der Planung und Durchführung des rein digital stattfindenden Hackathons und zeigt, welche Chancen das Format bietet, wenn es fair und transparent gestaltet wird.

Ein Rückblick auf den MobiData BW Hackathon

Im Jahr 2020 initiierten das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) und die Stadt Freiburg gemeinsam ein Projekt, um gezielt Herausforderungen der laufenden Verkehrswende anzugehen. Die Bemühungen liefen in einer Großveranstaltung am Ende des Jahres zusammen: Dem MobiData BW Hackathon. Vom 27. bis zum 29. November fanden 150 engagierte Menschen in einer digitalen Plattform zusammen, um über zukünftige Lösungen der Mobilität nachzudenken. Aus verschiedenen Quellen wurden große Mengen an Mobilitäts-Daten über die MobiData-Plattform zusammengestellt und verfügbar gemacht. Insgesamt arbeiteten 23 Teams an 30 Challenges und entwickelten mögliche Innovationen, darunter auch sieben Projekte, die am Ende der Veranstaltung von einer interdisziplinären ExpertInnen-Jury für eine weitere Förderung vorgeschlagen wurden. (Einen Rückblick und Informationen zu den geförderten Projekten gibt es übrigens hier

Wir von creaffective durften, zusammen mit Trafficon, den Hackathon mitgestalten und begleiten. Auch jetzt, in der Förderphase, die im März 2021 begonnen hat, sind wir weiterhin an Bord und unterstützen die Teams bei ihrer Entwicklungsarbeit. So erleben wir hautnah mit, wie es mit den Projekten weitergeht. Ein guter Zeitpunkt, um auf die Veranstaltung zurückzublicken und darüber nachzudenken, wie es lief und was wir gelernt haben.

Wo ein Wille, da ein Weg

Zum einen hat die Veranstaltung gezeigt, was alles möglich ist, wenn der Wille vorhanden ist. Hätte man mich noch ein Jahr vor dem Hackathon gefragt, ob man so ein Event auch in angemessener Qualität digital durchführen hätte können – ich hätte selbst nicht daran geglaubt. Und diese Worte stammen von jemandem, der sich hauptberuflich mit neuen Ideen und Lösungen auseinandersetzt. Die Pandemie hat uns hier vor Augen geführt, dass nicht immer alles so laufen muss, wie es bisher immer gelaufen ist. Damit meine ich auch nicht nur, dass Not erfinderisch macht. Ein Großevent wie der MobiData BW Hackathon, mit 150 Teilnehmenden, darunter über 20 VertreteInnen verschiedener Institutionen, zeigt Chancen und Potenziale auf, die wir vorher vielleicht gar nicht gesehen hatten. Selbst wenn wir Veranstaltungen in (hoffentlich) naher Zukunft wieder verstärkt in Präsenz denken werden, bleibt das Wissen um die Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit.

Ganz deutlich wurde das auch daran, dass einige TeilnehmerInnen des Hackathons in Präsenz gar nicht hätten teilnehmen können oder wollen. Manche wohnen einfach zu weit weg und hätten eine lange, umständliche Anreise gescheut. Andere sind in ihrer Mobilität eingeschränkt, weil viele Verkehrsmittel nach wie vor von einem Mangel an Barrierefreiheit gezeichnet sind – ein Thema übrigens, das von der NVBW als Challenge eingebracht, vom Team route:able aufgegriffen und am Ende von der Jury für die Förderung vorgeschlagen wurde. So war die digitale Variante des Hackathons nicht einfach eine Notlösung in schwierigen Zeiten, sondern hat ganz neue Möglichkeiten aufgezeigt – für die Organisatoren, die Stakeholder und die Teilnehmer.

Der Hackathon als Format

Zum anderen hat sich mir wieder einmal bestätigt: Das Format Hackathon hat einiges zu bieten, und zwar nicht nur im Software-Bereich. Das Format kann sehr unterschiedliche Ziele unterstützen: Ich kann einen Hackathon als anregende, bunte Veranstaltung nutzen, um Leute miteinander ins Gespräch zu bekommen und zu vernetzen. Ich kann es für Recruiting-Zwecke nutzen, weil ich sehe, wie Menschen kreativ und effektiv miteinander arbeiten. Und ich kann es als groß angelegten Innovationsworkshop sehen, an dessen Ende Lösungsansätze für zentrale Herausforderungen stehen.

Aber wo Licht ist, ist immer auch Schatten. So gerät auch das Format immer wieder in die Kritik. Der gemeinsame Nenner bei fast allen dieser Kritiken ist der Grad der Transparenz. Mangelt es nämlich an Transparenz, kann es sein, dass Sinn und Zweck der Veranstaltung selbst nicht mit dem nach außen kommunizierten Ziel übereinstimmen. In solchen Fällen verfolgen die VeranstalterInnen dann, bewusst oder unbewusst, eine „versteckte Agenda“. Besonders heikel ist es, wenn ein(e) Organisator:In einen Hackathon als Recruiting-Event anpreist, also potenzielle BewerberInnen einlädt, dann aber vor allem von den erarbeiteten Ergebnissen profitieren möchte. TeilnehmerInnen fühlen sich dann, nicht ganz zu Unrecht, unfair behandelt und ausgenutzt. Solange klar und fair kommuniziert wird, was mit dem Hackathon erreicht werden soll, hat das Format aber enorme Stärken: Verschiedene ExpertInnen, Stakeholder und kreative Menschen stecken ihre Köpfe zusammen und entwickeln zukunftsfähige Lösungsansätze. Klar, die Vernetzung der Teilnehmenden lässt sich auch mit anderen Formaten erreichen. Aber der Fokus auf einzelne Herausforderungen und Themenfelder stellt sicher, dass lösungsorientiert und zielgerichtet gearbeitet wird. Die dahinterstehenden Stakeholder können die Parameter der jeweiligen Herausforderung sogar definieren, damit die späteren Lösungsansätze auch wirklich passen und weiterverfolgt werden können. Kaum etwas ist frustrierender als eine spannende Idee, die am Ziel vorbeischießt.

Von der Idee zur Umsetzung

Das ist auch gleich der zweite große Kritikpunkt, der auch im Nachgang von #WirVsVirus, dem großen Hackathon der Bundesregierung zu Beginn der Corona-Pandemie, thematisiert wurde: Wenn Ideen nach dem Event nicht aufgegriffen werden, bleibt ein Hackathon eine theoretische Wunschvorstellung. Natürlich können Ideen durch Eigeninitiative aufgegriffen und weitergetrieben werden. Aber eine vorher geplante, professionell geführte Unterstützung der entwickelten Ideen erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit enorm. Aus genau diesem Grund hatte das Ministerium daher schon im Vorfeld ein Förderprogramm aufgesetzt und angekündigt, um eben damit spannende Lösungsansätze auch weiterzuentwickeln.

Genau das lässt sich jetzt, in der Förderphase nach dem MobiData BW Hackathon, schön erkennen. Die Stakeholder hinter den Challenges arbeiten eng mit den geförderten Teams zusammen, um die Projektideen in die Umsetzung zu bringen. Für die Themen hinter den Projekten ginge es auch gar nicht anders. Denn Mobilitätslösungen sind immer von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig. Neben Kreativität und Technologie braucht es auch immer Infrastruktur und einen rechtlichen Rahmen, und damit die diversen dahinterstehenden Institutionen und Organisationen. Nur eine Kombination aus Kollaboration, Vernetzung und Zielorientierung führt zu nachhaltigen Lösungen.

Ich persönlich glaube immer noch, dass Hackathons einen wertvollen Beitrag für Organisationen und Gesellschaften liefern können, wenn sie durchdacht sind und fair aufgesetzt werden. Dazu gehört auch, dass im Vorfeld bereits eine Begleitung in die weitere Umsetzung eingeplant ist. Insofern zeigt der MobiData BW Hackathon sehr schön, was möglich ist, wenn man sich die entsprechende Mühe in der Vorbereitung macht. Und wer weiß, vielleicht wird auch gerade der digitale Hackathon weiterhin eine interessante Option bleiben, selbst wenn wir wieder bei Veranstaltungen Präsenz zeigen dürfen. Ich jedenfalls bin gespannt, was die Zukunft bringen wird.